In „weißen Turnschuhen“ über Text-Stolpersteine: Wie Theater-Star Jochen Busse trotz Blackout am Premierenabend brilliert

Gegen 21.15 Uhr fing das Drama an. Texthänger! Albtraum für jeden Schauspieler. Blackout. Wie  ging noch mal der Text?

Top-Schauspieler und Publikumsliebling Jochen Busse hat es an seinem Premierenabend in der Komödie im Bayerischen Hof erwischt. Und wie! Über lange Minuten schleppt er sich von Satz zu Satz. Die Souffleuse schreitet ein, Partnerin Simone Pfennig überspielt die Situation, spricht seinen Text einfach mit, bringt ein Glas Wasser. Nichts hilft.

Weisse Turnschuhe Florian Odendahl , Jochen Busse (©Foto: Jennifer Zumbusch)

Busse, der bis zu diesem Moment bereits anderthalb Stunden nonstop auf der Bühne stand, schüttelt den Kopf, sagt leise zu sich selbst „Das gibt’s doch nicht. Es geht nicht“, hadert sichtlich mit dieser Situation. Busse, der Perfektionist. Ausgerechnet ihm muss das passieren. Noch dazu in seiner Lieblingsstadt und Wahlheimat München.

Sein Publikum, das sich vom Stück „Weiße Turnschuhe“ bestens unterhalten fühlt, bemerkt, dass da was nicht stimmt. Applaudiert aufmunternd, gibt Standing Ovations. Und der Bühnenstar zeigt auch in dieser Situation seine ganze Klasse.

Nimmt die Stichworte der Kollegin auf und spricht voller Selbstironie zum Publikum: „Hätte ich gewusst, wieviel Erfolg ich hiermit habe, ich hätte das schon im ersten Teil gebracht!“ Noch mehr Applaus und Lachen.

Und schon hat man kurz den Verdacht, ach, der Busse, der spielt das nur so. Da steht schließlich ein Vollprofi auf der Bühne - doch der Texthänger war echt.

Weisse Turnschuhe Florian Odendahl , Jochen Busse, Claus Thull-Emden (©Foto Jennifer Zumbusch)

Nun handelt das Stück „Weiße Turnschuhe“ auch noch von seelischer Verwirrtheit, von Pflegebedürftigkeit, alles, was Menschen im Alter passieren kann. Autor und Intendant René Heinersdorff hat die ernsten Themen in eine Komödie verpackt: Busse’s Bühnensohn Claus Thull-Emden hat sich verspekuliert und die vom Vater aufgebaute Firma in den Sand gesetzt. Geld muss dringend her.

Und weil der „Kai“ ein rechtes G’scheidhaferl ist, lässt er den Vater als Pflegefall einstufen und hofft auf das Geld der Versicherung. Nun ist „Günther“ (Jochen Busse) allerdings einer der rüstigsten Rentner unter der Sonne.

Die fünf Treppen hinauf in seine Wohnung schafft er in Rekordzeit und lässt jüngere Besucher gegen ihn mächtig alt aussehen. Er joggt und rudert, lebt gesund (ein Riesen-Kühlschrank mit Energy-Drink-Auswahl steht im Raum) und schlüpft regelmäßig in seine geliebten weißen Turnschuhe.

Weisse Turnschuhe Florian Odendahl , Jochen Busse (©Foto Jennifer Zumbusch)

Autor Heinersdorff hat seinem Spezl diese Rolle auf den sportlichen Leib geschrieben, denn bei Jochen Busse (im Januar wurde er 83, schwört auf tägliche Yoga-Übungen und Hula-Hoop) scheint es im Pass bei „Geburtsdatum“ sicher einen Fehler zu geben.

Respekt, wie der Schausteller zwei Stunden auf der Bühne steht, mit viel Text, perfektem Timing für die Pointen und dann auch noch seine Sportlichkeit unter Beweis stellt! Gleich beim ersten Dialog mit seinem Sportsfreund und Nachbarn „Max“ (Florian Odendahl) lässt er währenddessen den Reifen in der Taille kreisen. Szenenapplaus!

Der sportliche Alltag der Hauptfigur muss aber bald ein jähes Ende finden, denn eine Prüferin der Krankenkasse (herrlich: Simone Pfennig mit charmantem Thüringer Akzent) steht vor der Tür.

Weisse Turnschuhe Simone Pfennig, Jochen Busse (©Foto Jennifer Zumbusch)

Ab sofort gibt Sportskanone „Günther“ den gebrechlichen Patienten, schwerhörig, fast blind, ziemlich verwirrt. Klar, dass das nicht gut gehen kann und für Gags sorgt. Wer aber zur Pause denkt, er wisse schon, wie der zweite Teil ausgehen wird, der irrt. Denn Autor Heinersdorff hat sich noch ein paar Wendungen ausgedacht.

So hat das Publikum auch im zweiten Teil viel zu lachen - manche(r )mit der Lautstärke eines startenden Jets - bis der Blackout kommt. Mit Busses Erfahrung von 54 Jahren auf der Theaterbühne und seinen drei Kollegen kommt das Schauspieler-Quartett doch noch in der Schlußszene an. So recht kann sich Jochen Busse gar nicht am tosenden Beifall freuen.

Und dann überreicht der Intendant ihm auch noch die goldene Plakette, die ihn zum Ensemble-Ehrenmitglied des Hauses ausweist. Heinersdorff erklärt: „Wer einen Hänger so gekonnt überspielt, der hat diese Auszeichnung mehr als verdient“. Der Geehrte nimmt’s sportlich und wendet sich an sein Publikum: „Morgen abend hören Sie dann den kompletten Text!“

Noch bis 7. April 2024 ist Busse in Höchstform zu erleben. Schnell loslaufen und Tickets sichern, viele Termine sind bereits ausverkauft.

Text: Gaby Hildenbrandt

Schlussapplaus am Premierenabend (©Foto: Gaby Hildenbrandt)

Weiße Turnschuhe

Noch bis 7. April 2024

Infos und Tickets:
www.komoedie-muenchen.de
Karten ab 30,50 Euro

Termine, Infos, Tickets: www.komoedie-muenchen.de

Komödie im Bayerischen Hof
Promenadeplatz 6
80333 München

- Komödie im Bayerischen Hof - Startseite (mehr)