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Mörderjagd am Bahnhof Schwanthalerstraße - Premiere von „Mord im Orient-Express“. Diesmal ist es nicht der Gärtner - und auch kein Musical (bis 4. Mai 2025, Deutsches Theater München)
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19:34 Uhr - der „Orient-Express“ fährt ab! Mit einer für Fernzüge eher zu vernachlässigenden Verspätung von vier Minuten setzte sich der legendäre Express in Bewegung. Das Deutsche Theater war der Tourstart einer neuen Produktion eines altbekannten Stoffs: des berühmten Krimis von Agatha Christie, veröffentlicht im Jahr 1934 und inzwischen fünfmal verfilmt. Jetzt also „Mord im Orient-Express - live on Stage“. Meisterdetektiv Hercule Poirot, zufällig an Bord, ermittelt. Und der Spürsinn des Belgiers ist besonders gefordert, denn Tatort ist das Abteil des Opfers, Samuel Ratchett, ein unangenehmer Zeitgenosse, jetzt erstochen und mausetot. Mon Dieu! Der Luxuszug hält eingeschneit mitten auf der Strecke, keine Spuren im Schnee eines Ausstiegs. Soll heißen: Der Mörder ist unter uns! Es muss einer der Mitreisenden sein. Ein klassischer „Whodunnit“. Und Poirot bleiben nur zweieinhalb Stunden (inklusive Pause) für die Tätersuche.
Diesmal zeigt Regisseur Christoph Drewitz die Geschichte in der Bühnenfassung von Ken Ludwig und mit deutschem Text von Michael Raab (Produktion: ShowSlot). Die Opulenz der bisherigen Filmversionen muss für die Bühne leider auf der (Bahn-) Strecke bleiben, Acryl-Raumteiler mit Art Deco-Motiven verwandeln das Set mal in eine Hotel-Lobby, in den Bahnsteig und schließlich in die einzelnen Zugabteile (Design: Adam Nee, Licht: Andrew Exeter). Auch wurde die Zahl der Passagiere von zwölf (im Original) auf acht zusammengestrichen. Zum Glück möchte man meinen, denn im Stück werden - wie das bei einem Mordfall nun mal so ist - alle Verdächtigen befragt. Im Film kann man deren Aussagen als Rückblick darstellen, nur über Dialoge wäre es bei einem Dutzend Verhören eine zähe Gschicht. Wer die Lösung nicht kennt, für den heißt’s auch bei verbliebenen acht Verdächtigen gut aufpassen, wenn Monsieur Poirot alle Puzzle-Teile des Falls zusammensetzt. Noch vor dem Vorstellungsbesuch hat das Theater eine falsche Spur fürs Publikum gelegt. Da wird seit Jahren getrommelt, dass sich „fast täglich der Vorhang für internationale Spitzenproduktionen aus den Bereichen Musical, Show, Tanz, Konzerte und Kabarett hebt“ (so die Website). Auf dem Spielplan der kommenden 12 Monate stehen 30 Produktionen (nicht mitgezählt Kindertheater und Dokufilmfest). Sogar ernste Stoffe wie die Geschichte der Geschwister Scholl („Die weiße Rose“) und die Ereignisse von 9/11 („Come from away“) tragen den Zusatz „Musical“. Wie spannend wäre da ein Krimi-Musical! Aber: Der „Orient-Express“ ist eine von genau zwei Produktionen, ganz ohne Tanz und Gesang. Okay, wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Angekündigt ist „nur“ eine „Neuinszenierung mit epischem Soundtrack“.
Spielt man in der Pause Mäuschen, so haben viele Premierengäste erwartet, den bekannten Krimi-Stoff mit Songs präsentiert zu bekommen. Mit dem anwesenden „Zug-Personal“ hätte es allemal funktioniert, so verkörperten z.B. Pamina Lenn, Yasmina Hempel und Charlotte Heinke bereits wunderbare Musical-Hauptrollen („Eiskönigin“ und „Kudamm ’59“, „Liebe ist alles - das Rosenstolz-Musical“, „Ich war noch niemals in New York“). Und was den „epischen Soundtrack“ anbelangt: vielleicht war ich zu sehr konzentriert bei Poirots Mörderjagd dabei, aber ich erinnere mich nur an drei oder vier kurze Musik-Einspielungen (vom Band). Aber nicht nur das Publikum hatte sich irgendwie auf Musical eingestellt. Der Bayerische Rundfunk kündigt bis heute den Beitrag vom ersten Aufführungsabend in der eigenen Mediathek als „Orient-Express - Das Musical“ an. Hier müsste mal Hercule Poirot zwecks Klärung einschreiten. Apropos: Gespielt wird der exzentrische Schnurrbartträger in München von Carsten Strauch, bekannt aus der preisgekrönten Comedy-Reihe „Sketch History“. Ein absolutes Verwandlungstalent! Leider hört sich sein „belgischer Detektiv“ manchmal eher nach Kölsche Jung an - aber dies sei entschuldigt, zwei Stunden mit französischem Akzent live und ganz viel Text durchzuhalten, ist eben auch eine Mörderaufgabe. Dem Applaus nach hat Strauch eine große Fangemeinde. Auch Johannes Huth (ehemals Fan-Liebling in „Sturm der Liebe“), Markus Schöttl und Glenna Weber (beide „Harry Potter-Show“ in Hamburg) sowie Sebastian Achilles (Familienserie „Tiere bis unters Dach“) sind Schauspiel-Profis mit anwesender lautstarker Fanbase.
Musical erwartet, Sprechtheater bekommen - die Darsteller sind in diesem Punkt eindeutig „unschuldig“. Anerkennender Applaus von den Kollegen im Publikum: Sepp Schauer, Corinna Binzer, Julia Kent (elegantes Abendkleid passend zum mondänen Zug), Michaela May, Jutta Speidel, Beate Pfeiffer, Petra Drechsler, Johanna Bittenbinder, Dieter Bach, DJ John Jürgens mit Ehefrau Haya, Sänger Dan Lucas, Musikkabarettist Jürgen Kirner, Architekt Ernest Staar, Angermaier-Chef Axel Munz. PS: Wer die Spur des Orient-Express im Netz verfolgt, entdeckt ein interessantes Detail: In diesem Frühjahr sind außer der „ShowSlot“-Tournee weitere zwei Fassungen zu sehen (Staatstheater Augsburg und Komödie am Kurfürstendamm - dort spielt man das Stück als Musical-Fassung), alle basierend auf der Bearbeitung durch Ken Ludwig und Michael Raab. Und über den Jahreswechsel 2024/25 brachte bereits das Schauspielhaus Salzburg den „Orient-Express“ auf die Bühne. Fazit: Dieser Krimi wird noch in weiteren 100 Jahren die Zuschauer faszinieren. Gaby Hildenbrandt Mord im Orient-Express Deutsches Theater München Tickets ab 25 Euro Infos/Kartenbestellung: www.deutsches-theater.de Dauer: 2 Std. 30 Min. - inkl. Pause
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