Genussmittel Zigarette: Wie das Rauchen Rituale schafft und Kulturgeschichte schreibt

Die gesundheitsgefährdende Wirkung von Tabakkonsum ist bekannt. Und doch greifen viele Menschen nach wie vor zur Zigarette. Warum sie dies tun? Oft wird der stimulierende Effekt als Grund angeführt.

Doch das Rauchen als Genuss speist sich nicht allein aus diesen körperlichen Auswirkungen des Nikotins. Es hängt auch mit einer völlig anderen Sache zusammen: Damit, dass es sich beim Rauchen um eine Kulturtechnik handelt.

Viele Raucher schätzen die ästhetische Seite des Rauchs, der kleine Wolken in der Luft bildet. Sie schaffen sich darüber ein kleines Ritual; eine Pause, in der sie innehalten.

Populär seit rund 150 Jahren

In Deutschland hat sich das Zigarettenrauchen vor rund 150 Jahren verbreitet. Im Laufe des 20. Jahrhunderts lief es den vormals beliebten Pfeifen und Zigarren den Rang ab. Im Vergleich mit jenen erlaubt die Zigarette eine recht kurze Raucherpause. Perfekt für die Schaffung kleiner Rituale im geschäftigen Alltag. Rituale sind Dinge, die sehr bewusst ausgeführt werden und die den Lauf der Zeit kurz unterbrechen. Dadurch geben sie einen inneren Halt.

Genussmittel Zigarette (©Foto: iStock funtay)

Populär geworden ist das Rauchen seinerzeit auch durch Vorbilder in Film und Fernsehen. Es gibt zahlreiche berühmte Filmszenen, in denen Helden sich rauchend inszenieren und Frauen verführerisch an einer Zigarette ziehen. Symbolisch gesehen verspricht das Genussmittel Tabak Freiheit und erotische Abenteuer obendrein.

Analoge Genusserfahrung im digitalen Zeitalter

Heute hat Rauchen auch damit zu tun, dass analoge Erfahrungen wieder wertgeschätzt werden. Musikliebhaber zelebrieren das Auflegen von Schallplatten. Menschen entdecken ihre Liebe zum Bücherlesen, zur analogen Fotografie oder zum handgebrühten Kaffee als Ritual. Das Zigarettenrauchen wirkt analog.

Wer es besonders genießen möchte, kann sich mit Zigarettenpapier wie Longpapers seine eigenen Zigaretten in der richtigen Größe und einem ausgewählten Tabak drehen. Der Vorteil: Das Drehen von Zigaretten beschert einen Moment der Vorfreude. Und es bietet dem Konsumenten Kostenvorteile.

Produktionsmittel der Künstler und Kreativen

In vielen Fällen hat der Tabak Künstler und Kreative inspiriert. Das Werk von Rauchern wie Jean-Paul Sartre, Robert Musil oder Günter Grass wäre ohne Tabakkonsum vermutlich wesentlich kleiner ausgefallen. Und wenn es um künstlerischen Austausch geht, schätzen viele Menschen Zigaretten nicht nur als ein Mittel gegen die Müdigkeit. Das Rauchen kann Menschen ins Gespräch bringen. Auf unzähligen Partys hat man sich beim Rauchen versammelt oder ist ins Gespräch gekommen, weil eine Person ihr Feuerzeug zu Hause vergessen hat.

Eine Zigarette bietet einen unkomplizierten Gesprächseinstieg

Einen Gesprächsanlass bieten Zigaretten auch beim erfolgreichen Flirten. Während andere Menschen lange nach einem Grund suchen, um eine attraktive Person anzusprechen, haben die Raucher es leicht. Sie können über ihr Genussmittel leicht Kontakte knüpfen. Dass das Rauchen heute von so vielen öffentlichen Orten verbannt wird, kann an der Stelle sogar ein Vorteil sein. Es treibt die Raucher zusammen und sobald man sich als solcher zu erkennen gibt, bildet man bereits eine Gemeinschaft mit anderen Rauchern.

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